Veröffentlicht in Gedanken, Glauben, Lifestyle

Durchhaltevermögen – ein Wert aus alten Zeiten?

Meine Generation und die nach mir unterliegt immer wieder dem Vorurteil, Dinge nicht durchziehen zu können. Sich nicht festlegen zu können. Nicht dranzubleiben. Einfach mal Zähne zusammenbeißen und durch. Wenn es hart wird, brechen wir ab. Durchhaltevermögen gehört nicht zu den Stärken. Und Verbindlichkeit ist ein Wert, der an Wert verliert. Wenn ich einmal zu etwas Ja gesagt habe, muss ich dann wirklich bei diesem Ja bleiben? Es zurückzuziehen scheint kaum schwere Folgen zu haben.

Wie geht es dir – Sind dir diese Vorurteile schon begegnet? Glaubst du, dass sie wahr sind?

Ich glaube, dass in vielerlei Hinsicht etwas dran ist. Ich als Mitglied der Generation Y, der Millennials, oder wie auch immer du sie nennen möchtest, sehe definitiv Unterschiede zu der Generation meiner Eltern oder noch älteren Menschen. In den letzten zweieinhalb Jahren habe ich außerdem mit Jugendlichen gearbeitet, also der Generation Z, und sehe auch dort die ganz eigenen Herausforderungen. Ja, heutzutage herrschen bezüglich verschiedener Werte definitiv andere Verständnisse. Und ich merke, dass es sogar mir manchmal richtig schwerfällt, Verständnis für die jüngste Generation aufzubringen, obwohl ich gar nicht so viel älter bin. Dann ertappe ich mich dabei, wie ich vorschnell einordne und urteile und jammere: „Früher haben wir schon Anfang des Jahres entschieden, zu welcher Freizeit wir im Sommer fahren wollen! Heute überlegt man es sich höchstens eine Woche vorher.“ Danach ärgere ich mich über mich selbst: Ich möchte doch auch, dass die älteren Generationen Verständnis für meine Generation aufbringen. Diese Empathie will ich weitergeben. Ich möchte vor allem verstehen, warum Dinge anders laufen als ich sie kenne. Wenn ich sie verstehe, kann ich auch besser damit umgehen.

Mein Weg ins Berufsleben – ein Klischee-Millennial?

Mein Weg ins Berufsleben war alles andere als vorhersehbar und geradlinig. So wie es sich für einen guten Millennial gehört, machte ich ein Freiwilliges Soziales Jahr, weil ich noch nicht wusste, wie es anderweitig weitergehen könnte (und ein paar andere gute Gründe hatte ich auch noch). Danach entschied ich mich für Soziale Arbeit, was erst einmal solide und zukunftsweisend wirkte. Den Bachelor zog ich fast in Regelstudienzeit durch, doch schon während des Studiums merkte ich, dass ich mit Soziale Arbeit noch nicht ganz in die Mitte der Zielscheibe getroffen hatte. Ich hatte auf jeden Fall ein gutes Fundament gelegt, aber ich spürte, dass das nur der Startpunkt war. Von hier aus in ein klassisches 40h-Sozialarbeiter-Leben? Das konnte es nicht sein.

Unzufrieden und unentschlossen scrollte ich durch Stellenausschreibungen. Ich musste jedoch irgendwo anfangen und so probierte ich verschiedene Sachen aus. Recht schnell entdeckte ich, wohin ich eigentlich wollte: Beratung, Selbstständigkeit. Doch ich wusste, dass ich dafür noch eine Strecke gehen musste. Ich sprach diesen Wunsch nur gegenüber sehr wenigen Menschen aus, behielt in viel für mich. Er musste reifen und Form annehmen. Ich hatte eine intuitive Klarheit darüber, ein Ziel, aber ich wusste, dass es noch eine Weile dauern würde, bis dieser Wunsch konkret werden würde. Ich musste Erfahrungen sammeln und mich weiterbilden. Und so schlängelte ich mich durch meine Zwanziger.

Warum ich nicht durchhalten konnte ohne ein „Warum“

Ich habe nicht unbedingt Scheu davor, Tätigkeiten abzubrechen, wenn es nicht die richtigen sind. Manchmal wurde ich deswegen schon als „mutig“ bezeichnet. Ich selbst habe das aber nie als mutig wahrgenommen, sondern als Überlebensstrategie und vor allem – Achtung, aufgepasst! – als schlicht zielgerichtetes Handeln. Wie jetzt? Es ist zielgerichtet, wenn ich Tätigkeiten frühzeitig abbreche und etwas komplett neues anfange?

Bestimmt nicht immer, aber in diesen Fällen schon. Für mich ist der Unterschied zwischen zielgerichtetem und nicht zielgerichtetem Handeln die Frage, ob ich mein „Warum“ kenne. Weißt du, warum und wofür du etwas tust oder nicht? Hast du ein gutes, ein starkes Warum? Wenn ja, dann kannst du die schwierigsten Tätigkeiten lange durchhalten. Mit einem starken Warum bist du nicht zu stoppen. Mit einem starken Warum kannst du Herausforderungen meistern und schwere Zeiten durchstehen. Denn du hast ein Ziel oder einen Zweck vor Augen. 

In den verschiedenen Tätigkeiten

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, die ich nach meinem Studium ausprobierte, hatte ich kein starkes Warum. Oder ich dachte ich hätte eins, was sich als Fehleinschätzung erwies. Ich dachte zum Beispiel, es wäre gut, erst einmal mit einem klassischen Vollzeit-Job zu starten, „weil man das eben so macht“. Es ist recht leicht zu sehen: „weil man das eben so macht“ ist kein starkes Warum. Es war nicht tragfähig. Stattdessen trieb es mich in eine kurze dunkle Phase, in der ich mich selbst komplett in Frage stellte. Warum konnte ich hier nicht hineinpassen? Warum ging es mir so schlecht? Die Antwort war einfach: Weil ich eigentlich eine ganz andere Berufung für mein Leben vor Augen hatte. Nur hatte ich mir das zu diesem Zeitpunkt noch nicht klipp und klar eingestanden. Und ich kannte noch nicht die passenden Wege zu den damit verbundenen Zielen.

War es also falsch, diesen klassischen Job zu Beginn anzunehmen? Ich glaube nicht. Denn jeder Job, egal wie kurz ich ihn ausführte, hat mich Erfahrungen sammeln lassen und Kompetenzen gelehrt. Falsch wäre es nur gewesen, wenn ich ihn nicht früher oder später beendet hätte. Falsch wäre es nur gewesen, wenn mich ein falsches Warum zu einem falschen Durchhalten gezwungen hätte. Daran wäre ich kaputt gegangen.

Diesen ersten Job und auch meinen zweiten beendete ich nach je etwa einem halben Jahr. Beides waren für mich wichtige Schritte zu meinem eigentlichen Warum. Jeder Abbruch bedeutete für mich ein neuer Schritt Richtung Zukunft, und zwar ein zielgerichteter. Jeder Abbruch war ein Aufbruch und lag nur darin begründet, weil ich jetzt ein kleines bisschen besser wusste, was ich wollte. Ich hatte kein konventionelles Ziel. Also musste der Weg dorthin auch nicht geradlinig sein. 

War ich mir zu schade für ein „normales Arbeitsleben“?

Manchmal hatte ich Angst, dass die Leute denken, ich wäre mir zu schade für ein normales Arbeitsleben. Dass sie denken würden, ich sei abgehoben mit meinen Wünschen und Zielen. Diese Ängste waren natürlich nutzlos und erwiesen sich auch als völlig falsch. Den Job, den ich bisher am längsten, über Jahre hinweg, durchgeführt habe ist die Tätigkeit in einem kleinen Fair-Trade-Laden, also im Einzelhandel. Fair-Trade ist vielleicht nicht ganz normal, aber Einzelhandel ist nun wirklich nicht abgehoben. 

Und obwohl dieser Job gar nichts mit meiner ursprünglichen Ausbildung zu tun hatte, fand ich hier eines meiner bisher stärksten Warums: Dieser Job lieferte mir das nötige Kleingeld und ließ mir nebenher die Freiheit, mich ganz auf meine Weiterbildung als Beraterin und andere Ziele zu konzentrieren. Er laugte mich nicht emotional und sozial aus. Ich ging hin, arbeitete (und hatte dankbarerweise dabei meistens sogar Spaß), kam nach Hause und fertig. Mein Kopf blieb, zumindest weitestgehend, frei für meine eigentlichen Ziele. 

Ist es nicht interessant, dass ich das größte Durchhaltevermögen und die größte Verbindlichkeit in einem Job fand, der nicht einmal zu meiner ursprünglichen Ausbildung passte? Und der im engeren Sinne auch nichts mit meinen Zielen zu tun hatte? Doch ich fand ein starkes Warum: dieser Job war ein Mittel zum Zweck. Und zwar das beste Mittel

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, was ich zu diesem Zeitpunkt finden konnte.

Kein Selbstvertrauen ohne Gottvertrauen

In meinen Zwanzigern wählte ich unkonventionelle Wege. Und wenn ich ehrlich bin, noch skeptischer als andere Leute mich vielleicht beäugten, beäugte ich mich selbst. Ich vertraute mir selbst nicht, obwohl ich eigentlich wusste, was ich wollte. Hätte ich mir selbst mehr vertraut, hätte ich diesen Weg mit noch mehr Selbstbewusstsein beschreiten und ihn noch besser nach außen hin kommunizieren können. 

Ich glaube, um mir selbst vertrauen zu können, muss ich erst einmal Gott vertrauen. Im Nachhinein sehe ich, dass mir das unglaublich schwer viel. Ich gestand es mir vielleicht nicht ein, aber im Endeffekt glaubte ich, dass alles an mir selbst hing. Ich vertraute nicht Gott die Ergebnisse meines Tuns an. Ich vertraute nicht wahrhaft darauf, dass er die richtigen Ergebnisse bewirken würde. Immer wieder umtrieben mich sorgenvolle Gedanken – Würde ich mit dieser Tätigkeit das richtige erreichen? Würde das richtige dabei herumkommen?

Heute glaube ich

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, dass es meine Aufgabe ist, treu einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Das ist nicht gleichbedeutend mit „um jeden Preis etwas durchziehen“. Es bedeutend: Mit Gott an deiner Seite entscheiden, was der richtige Weg ist. Zielgerichtet handeln. Weichen eventuell neu stellen. Manchmal aber auch einfach dranbleiben. Das kommt ganz auf dein Ziel und die passsenden Mittel, um dieses zu erreichen, an. Gott wird dir Weisheit dafür schenken, wenn du ihn fragst, und er hat auch kein Problem damit, die ein oder andere Schlängellinie mit dir zu laufen.

Aber der Erfolg selbst liegt in Gottes Hand. Du hast einen Zweck oder ein Ziel vor Augen, aber Gott sorgt für die Ergebnisse. Wenn wir uns an ihn hängen und von ihm allein abhängig machen, dann wird er unsere Schritte segnen – auch wenn die Ergebnisse dann manchmal anders sind, als wir sie uns erdacht haben.

Das Warum der jungen Generation stärken

In diesem Text habe ich meinen Weg geschildet. Deiner kann ganz anders aussehen. Deiner kann von mehr Durchhalten als Abbrechen geprägt sein. Das kommt ganz auf den individuellen Weg an, den Gott mit dir geht. Aber lasst uns doch die Vorurteile ablegen, dass ein Abbruch immer mit fehlendem Durchhaltevermögen oder fehlender Zielstrebigkeit zu tun hat. Denn genau das Gegenteil könnte der Fall sein.

Durchhaltevermögen ist immer noch wichtig. Der Wert bleibt. Für meine Ehe zum Beispiel habe ich viele starke „Warum’s“ und Abbrechen ist keine Option. Vielleicht sollten wir uns darauf konzentrieren, dass Warum der jungen Generationen zu stärken, statt ihnen Flatterhaftigkeit und Unverbindlichkeit vorzuwerfen. Vielleicht sollten wir sie nach ihrem Warum fragen und gemeinsam mit ihnen darum ringen, falls sie es selbst nicht klar sehen können. So nehmen wir sie auf jeden Fall ernst. Und eine andere Generation ernst zu nehmen ist die Grundvoraussetzung, um überhaupt mit ihr ins Gespräch zu kommen. Ich jedenfalls möchte das versuchen.

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