Veröffentlicht in Gedanken

Dieses Frühaufstehertum

Ich stehe nicht gern früh auf. Wer tut das schon? Aber seit geraumer Zeit muss ich es wieder tun, jeden Tag in der Woche.

Mir ist bewusst, dass es in Deutschland das Normalste auf der Welt ist, 6 Uhr das wohlig warme Bett zu verlassen, aber ich schätze mal, dass jeder Student diese Normalität für mindestens drei Jahre lang wieder vergisst – so auch ich. Das, was in der Schule eigentlich schon normal war, wird wieder „grausam“, „unmenschlich“ oder wie man eben sonst dieses normale „Frühaufstehertum“ auf völlig übertriebene Art und Weise in Frage stellen will.

Aber ist das überhaupt so normal? Vor wenigen Tagen las ich zwei verschiedene Artikel darüber, dass genau das eigentlich nicht der Fall ist. Deutschland steht angeblich generell zu früh auf und dies sei aus gesundheitlicher Sicht gar nicht mal so klug. Dass zum Beispiel Schulen bereits halb acht starten, täte wohl niemandem einen Gefallen.

Nun, ich habe mich mit empirischen Belegen dazu nicht weiter auseinandergesetzt. Ich habe mich nur weiter geärgert und gefragt, warum wir das denn dann trotzdem alle so machen. Bis ich festgestellt habe, dass mir das auch nichts bringt. Also habe ich beschlossen, das Beste aus meinem frühen Morgen zu  machen. Ich war überzeugt, dass es doch einen Weg geben müsste, den Morgen so zu gestalten, dass es mir zumindest ein bisschen Freude macht, zeitig aufzustehen.

Doch es gelang nicht wirklich. Ich wollte früh genug aufstehen, um noch zu lesen und in Ruhe zu frühstücken, doch die Motivation dafür war nach einigen Tagen nicht mehr vorhanden. Ich beschloss puttygen ssh , doch einfach wieder länger zu schlafen und dann nur kurz das Nötigste zu machen, um danach hektisch los zu sprinten – doch das war auf die Dauer auch nicht zufriedenstellend. Ich stellte meinen Wecker wieder auf eine frühere Zeit, denn eigentlich war ich überzeugt, dass ein entspannter Morgen zu einem entspannten Gemüt und somit zu einem besseren Tag führen würde. Dieses Mal nahm ich mir vor, mich mit irgendeinem Motivationssprüchlein im Sinne von „Dass ich heute aufstehe, trägt dazu bei, dass ich meine Ziele im Leben erreiche“ aus dem Bett zu scheuchen. Am Abend zuvor hatte ich mir einen perfekten Spruch zurechtgelegt. Doch als der Wecker klingelte, konnte ich ihn nicht mehr ernst nehmen. Um ehrlich zu sein – verhaltenspsychologische Versuche an mir selbst sind noch nie wirklich auf Erfolg gestoßen.

Ich bemerkte, dass es nichts brachte, mir zwanghaft eine Routine anzutrainieren. Ich ließ es also zu, dass mein Morgen sich von nun an zunehmend unterschiedlich gestaltete: Manchmal schaute ich mir ein dummes YouTube-Video an, um mich aufzuheitern. Manchmal lauschte ich beim Zähneputzen der Sprachnachricht einer Freundin. Ich begann, fast täglich einen Kaffee zu trinken. Manchmal nur Wasser. Meistens betete ich. Manchmal schminkte ich mich, manchmal nicht.

Und so langsam fand ich mich mit dem Frühaufstehen ab. Und ein Vorhaben erwies sich dabei tatsächlich als sinnvoll: zeitig genug das Bett zu verlassen, um halbwegs entspannt in den Tag zu starten.

Wenn du früh aufstehen musst, dann tu etwas, was dir gut tut. Das kann immer mal etwas anderes sein oder jeden Tag das gleiche. Es gibt kein Rezept für den perfekten Morgen, aber wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir schon die erste Stunde des Tages gestresst beginnen. Nimm dir ein wenig Zeit, um zu starten und das nicht immer von 0 auf 100. Tu etwas, was dich motiviert. Drück nicht zu oft auf die „Snooze-Taste“. Aber sei auch nicht zu streng mit dir, wenn du dein Motivationssprüchlein nicht aufsagen kannst. Probier mal etwas Neues aus, wenn du von Kaffee am Morgen gelangweilt bist oder trink ihn voller Genuss jeden Tag, weil er dich eben doch ein bisschen glücklich macht. Denn glücklich sollten wir nicht erst am Feierabend sein.

Auf viele weitere müde, nervige erste Stunden am Tag, deren wertvolle Lebenszeit wir jedoch niemals aberkennen sollten.

Constanze

(photo by congerdesign)

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