Als ich 18 Jahre alt wurde, bekam ich einen iPod geschenkt, 5. Generation oder so. Jedenfalls waren die damals echt beliebt. Davor hatte ich bereits zwei andere, weniger namenhafte Mp3-Player besessen. Die alten länglichen Teile, die dir gerade so den Titel anzeigen. Ich werde nie den Tag vergessen, als mir jemand zum ersten Mal die Funktionsweise von Mp3-Playern erklärte. Wie jetzt, einfach nur Dateien – auf so ein kleines Gerät? Was bitteschön sind überhaupt Mp3’s? Es grenzte für mich an ein Wunder.
Und so fühlte es sich auch an, als ich mit etwa 14 Jahren vom Walkman auf diese Form des mobilen Musikhörens umstieg. (Den Diskman hatte ich irgendwie übersprungen. Ich kannte lediglich den meiner Schwester, welcher mir recht klobig erschien. Und sowieso. Man kann doch alles auf eine Kassette spielen. Radiolieder und so.) Aber zurück zu meinem 18. Geburtstag. Ich liebte meinen neuen iPod mit einer Menge Speicherplatz, großer Anzeige, Playlistfunktionen und schlanker Optik. Mein kleiner, leuchtend grüner Begleiter, geschützt transportiert in einer Kindersocke. Denn so haben wir das damals gemacht.
Eins für alles
Doch auf den 18. Geburtstag folgte der 19. und mit ihm musste ein neues Handy her. Smartphones waren in der Zeit eigentlich schon im Kommen, aber mir erschien das noch recht suspekt. Und so erhielt ich eine Art Mittelding, ein großes Handy ohne Touchscreen. Aber es war W-lan-fähig, wow! Und es hatte Speicherplatz, um Musik daraufzuladen. Was nun? iPod adé? Konnte er so schnell überflüssig werden? Nein, dafür liebte ich ihn zu sehr. Aber war das die Tendenz unserer Zeit? Dass wir irgendwann nur noch ein Gerät für alles benötigen würden? Noch ein paar Jahre später und ich hatte mein erstes richtiges Smartphone in den Händen. Nun wurde die Lage für den kleinen, grünen Musikspieler tatsächlich kritisch. Ich hing den Trends stets ein wenig hinterher, aber allmählich ersetzte das Smartphone auch in meinem Leben fast jedes andere technische Gerät.
Mit der Zeit gehen?
Okay. Also ich bin schon offen für Neues. Denke ich. Zumindest bekomme ich so große Augen wie Dori bei Findet Nemo wenn jemand sagt „Ich hab da eine verrückte Idee…“ und erwidere „Ideen? Eine Idee? Ich liebe Ideen!“. Wenn ein neuer Hit im Radio läuft
, der so klingt wie alles andere zuvor gibt es von mir nur ein entnervtes „Schon wieder nichts Neues!“ und ein Umschalten zum nächsten Sender. Ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn Schüler in der 12. Klasse noch nicht wissen, was sie nach der Schule machen möchten und ungewöhnliche Wege einschlagen. Und so bin ich auch prinzipiell offen für technischen Fortschritt. Ich hänge hinterher und bin auch gern erst einmal kritisch, aber ich sehe ein, dass Veränderungen wichtig sind und es keinen Sinn ergibt, sie krampfhaft aufzuhalten.
Nostalgie, hallo!
Aber vor einiger Zeit habe ich meinen iPod im Schubfach wiederentdeckt. Mir war bewusst, dass ich ihn noch besaß – schließlich hat er so einige Entrümpelungen im Eifer minimalistischen Aussortierens überlebt. Das liegt wohl einerseits daran, dass es wirklich schwer ist, technische Geräte wegzuwerfen. (Keine Sorge, den Walkman gibt es nicht mehr.) Andrerseits mag ich ihn einfach und er funktioniert, neben der etwas nachgelassenen Akkuleistung, wie zuvor. Beim ersten Wiederentdecken habe ich ihn nur kurz aufgeladen und zum eigenen Amusement in die alten Lieder hineingehört. Als ich ihn erneut im Schubfach liegen sah, dachte ich: Warum nicht richtig neu beleben? Irgendetwas daran, die Musik unterwegs wieder auf einem eigenen Gerät statt auf dem Smartphone abzuspielen reizte mich. Wollte ich mich einfach nur in alte Zeiten zurückversetzen und nostalgisch das Rädchen meines iPods hin- und herdrehen oder steckte mehr dahinter?
Zurück zu den Basics
Doch der Mp3-Player ist nicht das einzige Gerät, zudem ich mich zurücksehne. Schon seit Monaten rede ich davon, endlich ein Festnetztelefon anzuschaffen. Denn aufgrund meiner Einstellung, dass das Smartphone ja alles kann, mittlerweile auch kostengünstig, hat das Festnetztelefon in den letzten Jahren keine Rolle mehr in meinem Leben gespielt. Ich kann doch jeden mit dem Smartphone anrufen und jeder kann mich darüber erreichen. Warum ein unnötiges Zusatzgerät? Mittlerweile habe ich eine Antwort darauf: Damit ich das Smartphone auch einmal ausschalten kann.
Ich bin an dem Punkt angekommen, an dem mich der ständige Blick aufs Handy an mir selbst nervt. Nach und nach ergreife ich die ein oder andere Selbstschutzmaßnahme, wie zum Beispiel das Ausschalten vor dem zu Bett gehen. Doch ich möchte noch einen Schritt weitergehen. Wie cool wäre es, regelmäßig einen ganzen Tag das Handy auszulassen? Vielleicht sogar länger? Dafür muss ein Festnetztelefon her, um bei wichtigen Anliegen weiterhin erreichbar zu bleiben.
Kontrolle zurückgewinnen
Allmählich erkannte ich den Grund für mein zunehmendes Bedürfnis nach „Gewaltenteilung“ in meiner Technik. E-Mails am Laptop schreiben
, Musik über iPod hören, telefonieren am Handy… Ich wollte die Zuständigkeiten trennen, den Geräten in gewisser Weise ihren Platz zuweisen. Dieses Bedürfnis entsprang einem Gefühl von Überforderung, von „zu viel“. Manchmal gehe ich einkaufen und möchte nebenher Musik hören. Aber ich möchte nicht auch noch gleichzeitig Nachrichten empfangen oder telefonieren. Was sagt das über mich aus, wenn ich für eine Stunde mit meinem Mp3-Player das Haus verlasse und mich frage, ob es okay ist, das Handy zu Hause liegen zu lassen? Ja, natürlich ist das okay! Und genau das ist mit dieser Zuständigkeits-Trennung möglich. Ich habe selbst Einfluss darauf, wie viel Input ich zulasse. Ich kann ihn kontrollieren, alle Kanäle schließen, einen öffnen oder jeden – so wie ich es brauche.
Reizüberflutung vorbeugen
Wer meinen Beitrag zum Thema Rabatte und Kundenkarten oder Minimalismus gelesen hat, weiß, dass ich mich hin und wieder reizüberflutet fühle. Reizüberflutung vorzubeugen ist eines meiner Lieblingsthemen. Und es gibt einen Grund für all die Achtsamkeits- und Meditationstrends heutzutage: Sie sind die Reaktion auf eine Fülle an Input in unserer Zeit und Gesellschaft. Gerade introvertierte, sensible Menschen haben es schwer, wenn ständige Erreichbarkeit von ihnen erwartet wird. Und ich bin zwar eine Bloggerin mit Accounts auf facebook und Instagram, aber die Welt von Social Media ist nach wie vor nicht wahrhaft meine Welt. So häufig setzt sie mich unter Druck, wenn ich sehe wie regelmäßig andere Blogger etwas posten und sich perfekt in Szene setzen. Ich wünsche mir so wenige Apps wie möglich auf meinem Smartphone, gleichermaßen so wenig wie möglich Kundenkarten in meinem Portemonnaie. Ich möchte von all dem nur so viel wie nötig. Denn es sind nicht Dinge, die wirklich zählen.
Und nun?
Hänge ich also doch den alten Zeit nach und halte meinen iPod so lange am Leben wie es nur geht? Nein
, denn genauso bin ich davon überzeugt, dass alles seine Zeit hat. Ich bin gespannt, was die technische Zukunft noch bringen wird. Gespannt, ob ich irgendwann auch mit einer gesichtslosen Alexa oder sonst wem reden werden. Aber bei all dem muss ich darauf hören, was ich brauche und aufpassen, nicht vorschnell mit der Masse zu schwimmen.
Nicht jeder ist von der Fülle an Apps überfordert so wie ich. Nicht jeder ist erst einmal skeptisch, wenn das Telefon klingelt. Nicht jedem nützt eine Aufteilung technischer Geräte. Doch ich persönlich muss mich in gewisser Weise selbst schützen. Denn es macht zwar erst einmal Spaß, zig YouTube Videos vor dem Einschlafen zu schauen, aber einschlafen kann ich dann trotzdem nicht. Und es erscheint effizient, beim Straßenbahnfahren gleichzeitig Musik zu hören und Nachrichten zu beantworten, aber bei der Arbeit angekommen bin ich weniger entspannt, als wenn ich einfach aus dem Fenster geschaut hätte. Weniger auf einmal zu machen und mich daran zu erinnern wie es „früher“ in meiner Kindheit war, tut mir gut. Ich lebe nicht in dieser Vergangenheit, aber ich erkenne, dass es auch mit weniger funktioniert. Nicht nur meine Geräte, sondern auch ich selbst sparen dabei Energie.
Es kann schon sein, dass mein iPod bald wieder nur im Schubfach liegt und ich es doch praktischer finde, alles auf einem Gerät zu vereinen. Aber immerhin hat er mir eine kleine Lektion gelehrt. Die Lektion, dass ich weiterhin hinterfragen darf, was normal wird. Und dass es manchmal gut tut, Gewohnheiten auf den Kopf zu stellen.
Welche Gewohnheit würdest du gern einmal auf den Kopf stellen?
Constanze