Veröffentlicht in Gedanken

Zeit zum Füllen der Schale

„Eine Pause sollte man gerade dann machen, wenn man keine Zeit dazu hat.“

Wer diesen schlauen Satz gesagt hat, hat wohl noch nie studiert. Oder gearbeitet. Oder einen Haushalt geführt. Oder die Weihnachtszeit erlebt.

Oder, oder, oder. Fakt ist doch, dass wir häufig gar keine Zeit dazu haben, uns einmal Zeit zu nehmen.

Ständig warten neue Aufgaben auf uns. Die Liste der Freunde, mit denen man mal wieder „base touchen“ müsste, wird immer länger und die kleine Spalte am Rande meiner To-do Liste mit den Freizeitaktivitäten, die ich mir vornehme, wenn ich denn mal Freizeit habe, hat sich mittlerweile auch schon auf der Rückseite fortgesetzt. Wow. Es gibt also auch schon eine Freizeitwarteliste.

Die Zeit ist schon eine interessante Sache.

Da ich weiß, dass meine Definition davon wahrscheinlich nicht dem Ideal entspricht, habe ich einmal Google befragt.- Denn um im Wörterbuch oder gar in der Bibel nachzuschlagen (btw. sehr empfehlenswert), hat die Zeit dann doch nicht gereicht –

ZEIT

(1) das Nacheinander von Ereignissen in bestimmten messbaren Abschnitten

(2) Stunden, Tage, Wochen, die jemanden für etwas zur Verfügung stehen

Nummer 1 hatte sofort meine innere Zustimmung auf seiner Seite. Genauso sehe ich das auch – ein Ereignis jagt das nächste und das kann man auch noch messen, also überwachen, und meist bin ich auch immer ganz pedantisch dabei, genau dies zu tun. Denn man möchte ja möglichst keine Zeit verschwenden.

Investieren und effektiv nutzen lautet ja eher der Tenor mit bitterem Beigeschmack. Aber muss dem wirklich so sein?

Definition Nummer 2 lässt daran zweifeln, denn was „Zeit“ tatsächlich darstellt, ist sehr viel weiter, unbegrenzter und freier als unser durchgeplanter Alltag.

Zeit bietet Möglichkeiten. Sie steht uns zur Verfügung. Und wir bestimmen, wie wir unsere Zeit füllen wollen. Damit möchte ich euch zu einem erneuten Perspektivwechsel ermutigen.

Im Grunde sind wir es, die sich für all die Dinge, mit denen wir uns beschäftigen, entschieden haben. Klar, sind manchmal auch ungewollte Verpflichtungen unausweichlich, aber letztendlich lassen sich diese doch fast immer zu einer Entscheidung zurückführen, die wir auch wieder selbst getroffen haben.

In meinem Leben geht es zur Zeit ziemlich bunt zu, aber es hilft mir, wenn ich mich darauf besinne, dass mich zu vielen Entscheidungen niemand gezwungen hat.

Meine Zeit steht mir zur Verfügung und es ist für mich eine Herausforderung sie weise zu füllen. Sinnvoll zu investieren.

Dabei lerne ich auch Prioritäten zu setzen.

Denn ich habe erkannt, dass das „sinnvoll Investieren“, bei mir selbst anfängt. Es kommt einem schon fast egoistisch vor, sich Ruhezeiten einzubauen. Bewusst zu etwas „Nein“ zu sagen und als Begründung nur ein: „Ich habe eine Stunde zum Lesen, Tee trinken und Abschalten veranschlagt“ bieten zu können.

Was mir dann hilft, ist der Gedanke der vollen Schale. Wenn meine Schale nicht bis zum Rand gefüllt ist, kann sie nicht überfließen und ich kann nichts an andere abgeben. Meine Kräfte nicht ausreichend investieren. Meine Ideen nur ungenügend umsetzen. Meine Aufmerksamkeit nur mangelhaft anderen Menschen schenken. Deshalb besitze ich zu allererst eine Verantwortung mir selbst gegenüber.

Und dann macht der Gedanke, gerade dann eine Pause zu machen, wenn man eigentlich keine Zeit dazu hat, schon wieder Sinn.

Ganz praktisch kann das bereits im Kleinen beginnen. Ich habe vielleicht keine Zeit, weil ich in die Uni muss, aber anstatt auch im Zug produktiv zu sein, versuche ich, diese Minuten bewusst nichts anderes zu tun, als aus dem Fenster zu schauen und meine Gedanken schweifen zu lassen. Ich versuche häufiger Fußstrecken zurückzulegen ohne dabei Musik zu hören und merke, wie gut es mir tut, mich einfach nur auf das Laufen und meine Umgebung zu konzentrieren. Und dann, wenn ich mich etwas fortgeschrittener fühle, traue ich mich sogar immer öfter, nach dem nach Hause kommen, erst mal eine Stunde Pause einzulegen. Dann trinke ich gemütlich einen Kaffee oder mache manchmal sogar ein kurzes Nickerchen.

Und meistens stört es die Aufgaben, die ich erledigen muss, nicht sonderlich, wenn ich sie auf eine Stunde später vertröstet habe.

Elisa

(photo by Unsplash)