Es ist Freitagabend, der erste Abend unserer Gemeindefreizeit. Meine Schwester hat ein großes Spiel für die ganze Gemeinde geplant und ich helfe ihr bei der Vorbereitung. Ich liebe große Spiele. „Darf ich mir die Gruppe selbst aussuchen? Kommen wir in Bewegung? Kann ich mich so richtig hineinsteigern?“ Ja, das könne man schon, wenn mal will. Die Tröten und Deutschlandfahnen in der Mitte jeder Stuhlgruppe geben einen Hinweis darauf. Die Gruppe darf ich mir natürlich nicht selbst aussuchen. Immer diese strategisch geplante Durchmischung, damit man sich besser kennenlernt! Doch ich gestehe, es funktioniert.
Und auf einmal verwandelt sich meine Gemeinde in acht bunt zusammengewürfelte wetteifernde Gruppen von A bis H, von Russland bis Kolumbien. Es geht damit los, dass wir alte Gemeindelieder in eine Hymne umtexten dürfen, um den Teamgeist zu stärken. Nachdem sich meine Gruppe nach kurzer Diskussion über einen tiefgründigen Text doch für einen sinnfreien entscheidet, kommen noch ein paar „Hu’s“ und „Ha’s“ im Island-Stil hinzu und das Ding steht. Im Weiteren dürfen wir sowohl Bibel- als auch Flaggen-Wissen auskramen und im Staffellauf ein Gruppenmitglied verarzten sowie mit Motivationssprüchlein versorgen. Ich habe meine Gemeinde noch nie so hektisch in Bewegung gesehen! Jung und Alt sind beieinander. Und auch wenn die Älteren mal nicht verstehen, was vor sich geht, so habe ich doch das Gefühl, dass sie den Spaß der anderen und die Gemeinschaft genießen. Das Ergebnis: Senegal gewinnt – das Spiel und natürlich auch die WM. Ist doch klar! Gemeinde ist für mich ein Ort, an dem Spaß kein Fremdwort ist und an dem die Bedeutung des Wortes „feiern“ eine ganz neue, übergenerationale Bedeutung erfährt.
Über unserer Gemeindefreizeit steht das große Thema „Heilung/Heiligung“. Es geht um Ankommen bei Gott, Frieden erfahren, Verletzungen heilen. Manche teilen ihre Geschichte, berichten von schweren Zeiten. Wir nehmen uns Zeit für Gebet und dürfen uns segnen lassen. Erneut merke ich: wie viel ermutigender ist es, wenn Christen ehrlich zu ihren Sorgen und ihrer Trauer stehen
, statt perfekt sein zu wollen. Vielleicht machen wir es nicht bewusst, aber häufig sind wir doch sehr bemüht, ein gutes Image zu wahren. Doch wenn jemand seine Unsicherheiten mit mir teilt, weiß ich: Ich bin nicht allein und es ist okay, Gott nicht immer zu verstehen. Gemeinde ist für mich deshalb ein Ort, an dem wir Menschlichkeit teilen. An dem wir manchmal andere ermutigen und uns manchmal ermutigen lassen.
Am nächsten Abend sitzen wir am Lagerfeuer. Rotwein wird in kleinen Gläschen verteilt. Es beginnen die üblichen Diskussionen über die perfekte Zubereitung des Knüppelteigs. Ich gehöre da zugegebenermaßen zu den Besserwissern. Oberste Regel: den Stock nur dünn umwickeln! Dauerhaft drehen, am besten seitlich zur Glut, sodass nicht nur die Spitze schwarz wird. Meine Spitze wird trotzdem schwarz. Und nach langem Gejammer, dass das Stockbrot einfach nicht fertig wird, wird es eben doch halbroh gegessen. So wie immer. Zufrieden ist man trotzdem.
Ich unterhalte mich mit den verschiedensten Menschen. Manche sind enge Freunde, mit anderen habe ich nur ab und zu über die Gemeinde Kontakt. Es fasziniert mich, dass das egal zu sein scheint. Gemeinde ist für mich ein Ort, an dem ich eine Unterhaltung nicht zwanghaft mit typischen Small-Talk-Fragen beginnen muss. Ich kann mich über tiefgründige Themen unterhalten, auch wenn ich nicht weiß, in welchem Job sich mein Gesprächspartner befindet oder was sein Familienstand ist. Ich sitze viel länger als geplant und ich bin müde. Doch manchmal gehen gute Gespräche einfach über Schlaf (am nächsten Morgen bereue ich das nur ein wenig).
An diesem Wochenende gibt es viele, die ihre Talente und Fähigkeiten für die Gruppe einsetzen. Ob Dekoration, Musik, Organisation im Hintergrund oder Geländespiel. Ich liebe Gemeinde, weil es ein Ort ist, an dem Fähigkeiten zum Einsatz kommen, gesehen und weiterentwickelt werden. Und doch sind da auch die, die sich einfach mal zurücklehnen und genießen können. Oh, wie wichtig das ist! Gemeinde ist für mich ein Ort des Gebens und Nehmens und die Seite darf gern immer einmal gewechselt werden.
Am Montag nach diesem Wochenende liege ich krank im Bett. Habe ich mich bei jemandem angesteckt? Möglicherweise. Habe ich zu wenig geschlafen? Bestimmt. Zu wenig Wasser getrunken und Vitamin C aufgenommen? Vielleicht. Aber dieses Mal nehme ich ein paar Tage Grippe gern in Kauf.
Constanze