Heute trage ich mal wieder meine Stiefeletten mit Absätzen. Das klackert schön, aber eigentlich sind sie ziemlich abgenutzt und vorn löst sich die Sohle. Ich fühle mich schick, aber irgendwie auch nicht. An meinem Finger bewundere ich meinen neuen fair gehandelten Ring, den ich mir von einem Weihnachtsgutschein gekauft habe. Er glänzt in silber und gold. Doch auf meinem Kopf sitzen abgewetzte große Kopfhörer, durch die laute Bässe schallen. Am liebsten wäre ich zum Rhythmus der Musik die Straße entlang gehüpft.
Gegensätze.
Ich liebe es, selbst Musik zu machen. Am liebsten singe ich in jeglich denkbarer Situation: unter der Dusche, beim Staubsaugen (Ganz nach dem Motto: Wer ist hier lauter, der Staubsauger oder ich?), im Auto, am Klavier… Und hin und wieder auch in einer Lobpreisband im Gottesdienst. Dann stehe ich vorn und versuche, die Gemeinde in den Liedern anzuleiten. Doch ein anderes Mal sitze ich selbst im Saal, irgendwo zwischen anderen versteckt, und habe keine Lust zum Singen. Dann erscheinen mir die Lieder zu hoch, zu tief oder die Texte zu banal. Ich habe das Gefühl, dass manche Gottesdienstbesucher mich dann verwundert aus den Augenwickeln betrachten und sich fragen, warum die sonst so musikalische Constanze nicht mitsingt.
Gegensätze.
In Seminaren halte ich mich zurück. Ich sitze in einer der hinteren Reihe, beobachte und mache mir viele Gedanken bevor ich mich traue, etwas zu sagen. Wenn ich in Gegenwart ruhiger, ernsthafter Menschen bin, bin auch ich ruhig und bedacht. Ich höre zu, versuche einzuschätzen und reagiere zurückhaltend. Doch wenn ich nach etwas längerer Zeit auf meine beste Freundin treffe, plapper ich los – und steige von 0 auf 100 mit den tiefsten Themen ein. Wer uns dabei beobachtet, hält uns manchmal für verrückt. Und ganz sicher nicht für schüchtern!
Gegensätze.
Vor kurzem hatte ich das feste Vorhaben, jeden Tag halb sieben aufzustehen und irgendwie versuche ich das immer noch. Gestern dachte ich allerdings wieder, wie schön ein entspannter Abend mit Laptop und Musik im Hintergrund auch mal bis zwölf Uhr Nachts laufen kann – also nichts mit halb sieben aufstehen. Manchmal habe ich ambitionierte Sport- und Ernährungs-Ziele. Ein anderes Mal denke ich, dass ich nun wirklich nicht alles machen kann und gönne mir eine ungesunde Pizza. Eine Zeit lang begeistert mich Minimalismus, dann die Zero Waste – Bewegung… Ich probiere aus. Und immer wieder komme ich an den Punkt zurück, festzustellen, dass ich nicht dauerhaft der Mensch für Extreme bin.
Gegensätze.
…Wirklich?
Ich kleide mich sehr gern schick, aber es ist mir nicht wichtig genug, um meine Absatzschuhe gegen neue zu tauschen oder die abgefetzten Kopfhörer gegen neue unscheinbare Knöpfe zu ersetzen. Lieber behalte ich die großen, durch die ich die Musik auch ordentlich höre.
Ich liebe Musik jederzeit, aber genauso bin ich jederzeit ein freiheitsliebender Mensch. Wenn mir aus welchen emotionalen oder körperlichen Gründen auch immer nicht nach Singen zumute ist, dann werde ich es nicht tun, weil es indirekt von mir erwartet wird.
Ich bin introvertiert und liebe es, zu beobachten. Doch eine tiefsinnige, lebhafte Konversation mit einem Menschen, den ich gut kenne ist eine der höchsten Prioritäten für mich. Dann blühe ich auf, bin leidenschaftlich und begeistert. Das kann ich sein, wenn ich anderen vertraue.
Ich begeistere mich schnell für Ideen, vor allem wenn sie etwas mit Produktivität, Kreativität oder „Weltverbesserung“ zu tun haben. Aber genau da ist auch der Haken: Ich begeistere mich schnell und stelle schnell auch wieder fest, dass ich nicht jeder Idee folgen kann. Ich habe einen differenzierten Blick auf solche Dinge und erkenne die Tücken der Extreme. Ich nehme mir das Beste aus ihnen mit.
Schau genau hin! Gegensätze sind nicht immer so gegensätzlich. Ich habe mich lange Zeit als sehr widersprüchlich empfunden. Ich habe nicht verstanden, warum ich manchmal so und manchmal so handle: Wie kann es sein, dass ich zeitweise „all in“ bin und im nächsten Moment etwas für völlig unrealistisch halte? Wie kann ich mich hin und wieder gern mit Freundinnen schminken und hübsch machen und im nächsten Moment solche Dinge als völlig irrelevant für mein Leben bewerten? Menschen sind doch entweder schick oder lässig. Extreme Weltverbesserer oder gedankenlose In-den-Tag-hinein-Lebende. Gern im Mittelpunkt stehend oder lieber immer im Hintergrund. Dauerhaft plappernd oder sehr stille Wasser.
Nein. Tag für Tag bin ich überrascht von mir selbst und den Menschen um mich herum. Wir wollen unsere Mitmenschen verstehen und einordnen
, aber wir können und vor allem müssen es nicht immer. Wenn ich genauer hinschaue, kann ich scheinbare Widersprüche in mir und anderen nachvollziehen. Aber hier ist der Punkt: Wir schauen nicht immer genauer hin. Aber wie schnell sind wir dennoch dabei, zu bewerten?
Halte Spannungen aus, wenn du sie nicht verstehst. Und gehe ihnen auf den Grund, wenn du sie verstehen möchtest! Denn es macht Spaß. Es ist spannend.
Erlebst du dich selbst auch manchmal als widersprüchlich? Wie geht es dir, wenn Menschen in deiner Umgebung sich gegensätzlich verhalten? Ich freue mich, von deinen Erfahrungen zu hören!
Constanze