Veröffentlicht in Motivierendes, Persönlichkeit

Wie viel Anpassung ist zu viel Anpassung?

In meinen letzten Blog-Beiträgen habe ich viel darüber geschrieben, begeistert von etwas zu sein. Ich habe geschrieben, dass ich begeistert von der Begeisterung bin – von Menschen, die eine Leidenschaft für etwas haben und sich wagen, zu träumen. Und dass ich selbst wieder angefangen habe, zu träumen.

Dabei habe ich jedoch sorgfältig verschwiegen, wie schwer es mir fällt, dies nach außen zu tragen und tatsächlich auch zu zeigen. Sogar meine beste Freundin war erstaunt, als ich ihr offenbarte, dass ich innerlich vor Begeisterung für etwas manchmal fast platze. Als ich bemerkte, dass nicht einmal ihr – die mich doch sonst so gut kennt – diese Seite an mir bewusst war, wusste ich, dass irgendwo ein Stückchen meiner Authentizität verloren gegangen war.

Ich dachte darüber nach, wieso so viele Menschen meine Begeisterung für etwas nicht sehen können und kam relativ schnell zu einer plausiblen Antwort: Ich passe mich an. Egal, wo ich bin und welche Menschen mich umgeben, bin ich ganz gut in der Lage, mich in das Umfeld einzufügen. Ich erkenne, was die Menschen um mich herum beschäftigt und kann mich gedanklich dann in diese Themen hineinbegeben. Das habe ich bisher als Stärke betrachtet und das ist es sicherlich auch. Anpassung ist wichtig. Doch nun sehe ich, dass es ein wirklich schmaler Pfad zwischen Empathie und zu viel Anpassung ist. Wie viel Anpassung ist also zu viel?

Manchmal blicke ich auf meine Schulzeit zurück und frage mich, was da geschehen ist. Viele können entweder sagen, dass sie generell gern zur Schule gegangen sind oder überhaupt nicht. Für mich ist es keines von beidem. Aber eines weiß ich: Am Tag der Abiturzeugnis-Übergabe habe ich mich tatsächlich ganz klischeehaft frei gefühlt und war froh, diesen Abschnitt hinter mich gebracht zu haben. In der Gesamtheit bewertete ich die Schulzeit deswegen oft nicht so gut – aber das ist schade, denn es gab auch wirklich schöne Erlebnisse.

Deswegen habe ich eine neue Theorie aufgestellt: Die Schulzeit war für mich eine Zeit der Anpassung und deshalb war es so anstrengend – und so befreiend, als es vorbei war. Denn aus meiner Sicht gehörte ich weder zu den „Coolen“ noch zu den „Uncoolen“, ich war nicht klar einsortierbar als „langweilig“, „Party-Girl“, „Streber“ oder ähnliches (okay, vielleicht ein bisschen „Streber“). Ich bewegte mich zwischen den Extremen und schwankte immer mal wieder von einer zur anderen Seite. Was war das für ein Balance-Akt! Es war der verzweifelte Versuch, nirgendwo ausgestoßen zu werden. Heute weiß ich, dass diese Anpassung zu weit ging. Sicherlich war mein „wahres Ich“ immer mal wieder zu sehen, aber ich habe nicht konsequent zu meinen Einstellungen, Interessen und Werten gestanden. Besonders Lehrer hatten oft ein völlig falsches Bild von mir, weil ich in ihrem Unterricht verschiedene Rollen annahm, um mein Inneres abzugrenzen. Ich war zum Beispiel die „Zurückhaltende, Emotionslose“, wenn ich wusste, dass man mich eh nicht verstehen würde oder die „Aufmüpfige, Freche“, wenn man mich unterschwellig provozierte. Es waren Schutzmechanismen und es gab leider wenige Lehrer, die diese durchbrechen konnten.

Was bewirkte diese Abgrenzung – dieser scheinbare Schutzmechanismus? Denn der Schutz-Effekt war rein oberflächlich. Er ließ mich etwas aushalten, aber er brachte mich nicht weiter. Er ließ mich vergessen, wo meine wahren Interessen lagen und wofür ich mich wirklich begeisterte. Fächer, die ich von der Sache her eigentlich mochte, wurden dadurch zu einem „Augen zu und durch“.

Ich musste also noch ganz schön viel zum Thema „Ich selbst sein“ lernen, als ich die Schule verließ. Es ist sehr schade, dass ich meine Begeisterung für verschiedene Themen nicht zeigte, nur weil ich Angst hatte, dass andere davon gar nicht begeistert sein oder kein Interesse zeigen könnten. Denn mittlerweile weiß ich, dass Begeisterung davon lebt, dass man sie teilt. Nicht, weil andere Menschen sich für dasselbe begeistern müssen, aber weil es uns lebendig werden lässt und nicht zuletzt, weil wir dadurch für andere greifbar werden. Wenn wir nicht zeigen, was uns begeistert (und was nicht), dann wissen unsere Mitmenschen nicht, woran sie an uns sind. Eine meiner wichtigsten Lebenslektionen ist deshalb: Es ist besser, wenn Menschen wissen, wovon du überzeugt bist und dem nicht zustimmen, als dass sie nichts wissen. In meinem Fall gilt dies sowohl für meinen Glauben als auch für meine Interessen, Hobbys und beruflichen Vorstellungen. In der Schule wussten viele im Grunde nichts über mich und wussten deswegen auch nicht, wie sie mit mir umgehen sollten. Meine jetzige Erfahrung zeigt: Die meisten werden dich nicht wegstoßen, wenn du ehrlich zu dir stehst. Und die, die es tun, müssen nicht unbedingt zu deinen Freunden werden.

Nachdem ich meinen Mann heute mit den Details dieser Erkenntnis wasserfallmäßig zugetextet hatte, sagte er zu mir „Manchmal ist es einfach faszinierend, dir zuzuhören, wenn du so begeistert und schnell von etwas redest.“ In dem Moment wurde mir bewusst, dass es genau das ist, was ich nicht aufgeben darf. Diese Begeisterung, die es aus mir sprudeln lässt. Bei meinem Mann habe ich keine Angst, dass er mich wegstößt und das ist gut so. Aber ich sollte nicht nur zu Hause ich selbst sein können.

Deine Überzeugungen, deine Ideen und deine Begeisterung machen dich interessant. Deshalb versteck sie nicht – deine Mitmenschen können dich besser verstehen, wenn du sie zeigst und manche wirst du sogar anstecken und inspirieren. Und es nutzt nicht nur anderen, sondern vor allem dir selbst. Wir sind viel motivierter, etwas in die Tat umzusetzen, wenn wir es aussprechen und mit anderen teilen.

Anpassung ist also dann zu viel Anpassung, wenn wir gar nicht mehr so genau wissen, wer wir sind und was uns ausmacht. Zeige anderen, wer du bist! Dann wirst du es auch selbst nicht vergessen.

Constanze

(photo bei José Martín)

Veröffentlicht in Gedanken

Extrovertiert oder introvertiert?

Vergangenes Wochenende ging ich mit zwei Freundinnen zu einer offenen Swing-Tanzstunde in einem Café mit anschließendem freien Tanzen und gemütlichem Beisammensitzen. Ich freute mich darauf – ich mag Tanzen, ich mag Gespräche mit meinen Freundinnen und ich mag Kaffee. Die reinen Fakten sprachen dafür, dass solch ein Event komplett meiner Persönlichkeit entsprechen müsste. Und wer meine albernen Tanzschritte aus der Disko oder von Hochzeiten kennt, der weiß, dass ich kein Problem damit habe, Tanzen nicht wirklich zu können aber trotzdem zu lieben.
Ich war erstaunt, wie schnell dieser Abend mich lehrte, dass ich meine Persönlichkeit manchmal zu einseitig einschätze.

Erst vor kurzem „bescheinigte“ mir ein Persönlichkeitstest, dass ich zu 55 % introvertiert im Gegensatz zu extrovertiert bin. Das spiegelte ziemlich genau das wider, was ich die letzten Jahre über mich empfunden hatte. Als Kind und Teenager war ich mir meiner Introvertiertheit relativ bewusst. Als ich älter wurde, wurde ich allerdings auch aufgedrehter, alberner und konnte mich besser in Gruppen einfügen. Es zeigte sich, dass ich auf jeden Fall starke soziale Bedürfnisse hatte. Aber konnte man das mit Extrovertiertheit gleichsetzen? Da war ich mir unsicher. In den letzten Monaten merkte ich wieder verstärkt, wie sehr ich Zeiten für mich allein brauchte, ja sogar eine gewisse „Erholungszeit“ von Gruppentreffen.

Nachdem wir uns an diesem Abend einen Platz ausgesucht und Getränke bestellt hatten, hatte die Tanzstunde bereits begonnen und einige Leute befanden sich in einem Kreis und bewegten sich zur Musik locker hin und her. Auch meine Freundinnen waren schnell dabei, aber etwas in mir hielt mich zurück. Es war das Bedürfnis, erst einmal zu beobachten.

Ich beobachtete das Geschehen. Ich überlegte, ob mir zusagte, was da geschah und erst ein paar Minuten später beschloss ich, daran teilzunehmen. Doch dann kam schon die nächste Hürde: Partnerwechsel. Und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder. Ich habe weniger ein Problem damit, fremde Menschen zu berühren, sondern viel mehr, mich innerlich immer wieder auf jemand neuen einzulassen. Denn was gibt es da nicht alles zu bedenken: Möchte der andere smalltalken oder nicht? Und wenn ja: über was um Himmels Willen soll man eigentlich immer smalltalken? Darf ich mein Gegenüber darauf hinweisen, wenn es nicht mehr im Rhythmus ist? Ist es komisch, wenn ich ihn direkt anschaue? Und da es definitiv komisch ist – ist es okay, wenn ich einfach nur nach unten schaue und so tue, als wäre ich mir auch nach der dritten Wiederholung noch in den Schritten unsicher?

Die Internetseite des besagten Persönlichkeitstests enthält einige interessante Informationen zu dessen Theorie und Entstehung. Unter anderem klärt sie das weit verbreitete Missverständnis zur Extro- und Introvertiertheit auf. Viele Menschen glauben nämlich, Introvertiertheit mit Schüchternheit und Extrovertiertheit mit starken sozialen Kompetenzen gleichsetzen zu können, aber so leicht ist es nicht. Vielmehr beschreiben diese zwei Charaktereigenschaften lediglich, was uns erschöpft und was unseren „Energie-Tank“ aufläd, also was uns stärkt. Introvertierte Menschen werden eher gestärkt durch Allein-Zeiten und extrovertierte Menschen durch das Beisammensein mit anderen. Dies sagt jedoch nicht zwingend etwas darüber aus, wie ruhig, schüchtern oder sozial wir sind.

Es mag albern klingen, aber als ich das las, fühlte ich mich zum ersten Mal mit meiner „zwigespaltenen Persönlichkeit“ im Reinen. Denn genau dieses Missverständnis hatte Menschen in meiner Umgebung häufig dazu geführt, falsche Rückschlüsse über mich zu ziehen. Denn es ist meist offensichtlich zu sehen, dass ich sehr viel für soziale Kontakte übrig habe. Für mich geht weniges über ein gutes, intensives Gespräch. Ich liebe alberne Gruppenkonversationen, bei denen man sich vor Lachen kaum noch eingekriegt.
Aber was die Leute nicht sehen, ist, dass ich mich immer wieder zurückziehen muss um aufzutanken. Mit einem Notizbuch, mit Gott, einem dummen Film oder meiner Gitarre. Und ich brauche diese Zeit öfter als die meisten denken. Denn nur so kann ich meine volle Energie auch wieder im Kontakt mit anderen Menschen einbringen.

Wer auch etwas mehr über seine Persönlichkeit herausfinden möchte und von Zeit zu Zeit denkt „Warum bin ich eigentlich so wie ich bin?“ dem kann ich diesen Persönlichkeitstest und die Theorie dahinter empfehlen: 16 personalities.
Mir ist bewusst, dass es viele verschiedene Persönlichkeitstests gibt und alle möglichen psychologischen Weisheiten darüber, wie man Menschen kategorisieren kann. Doch darum geht es nicht. Vielmehr geht es darum herauszufinden, wie vielschichtig wir Menschen sind. Denn nur wenn wir das entdecken und anerkennen, können wir unser volles Potenzial ausschöpfen.

Ich genoss den Swing-Tanzabend. Ich tanzte ein wenig, aber ich saß auch da und beobachtete mit einem Glas Trinkschokolade in der Hand das Geschehen. Und ich war vollkommen zufrieden damit.

Constanze

(photo by StockSnap)