Veröffentlicht in Aus dem Alltag

Herausforderung angenommen

Es ist Samstag um 5 Uhr am Morgen, ich sitze im geparkten Auto und bereite mich auf eine vierstündige Fahrt nach Augsburg zu einem Wochenendseminar meines Fernstudiums vor. Das Licht im Auto leuchtet, ich stecke das Navi in die Stromzufuhr und gebe meine Route ein. Klappt nicht. Ich versuche es mit einer Hausnummer daneben. Klappt. Warum auch immer. Ich sortiere CD’s auf dem Beifahrersitz: „Die 3 Fragezeichen“ und zwei Hörbücher von Thomas Mann. Das ist der Vorrat an Hörbüchern in CD-Format, den meine Familie zu bieten hat. Unser Auto hat keinen Handyanschluss. Plötzlich piept etwas, irgendein Kontrolllämpchen leuchtet und das Licht geht aus. ‚Scheiße‘, denke ich. ‚Das bedeutet jetzt nicht das, was ich denke, dass es bedeutet‘. Und ich habe eigentlich keine Ahnung von Autos! Ich versuche, den Motor anzulassen. Er geht nicht an. Ich könnte verzweifelt aufschreien. So ein bisschen tue ich es auch. Erst letzte Woche erzählte ich von den kleinen Herausforderungen des Alltags, den kleinen Pannen und Missgeschicken. An diesem Wochenende wurde mein Umgang mit solchen Situationen erneut auf die Probe gestellt.

Ängste

Ich glaube, dass es zwei Formen von Angst gibt. Manche Dinge muss ich einfach tun, um die Angst vor ihnen zu verlieren und somit meine Möglichkeiten und Fähigkeiten zu erweitern: die erste Zugfahrt, vor vielen Leuten singen, von zu Hause ausziehen. Und dann gibt es Dinge, vor denen ich meiner Meinung nach immer Angst haben darf, zum Beispiel Spinnen. Mit dieser Angst kann ich gut leben. Hätte ich sie nicht mehr, würde sich mein Leben auch nicht ändern. Na ja, vielleicht fällt euch auch ein besseres Beispiel ein.

Zu dieser ersten Form von Angst gehörten für mich eine ganze Weile die verschiedensten Formen von „allein Reisen“. Auf meine ersten Zugfahrten und Flugreisen bereitete ich mich akribisch vor. Ich druckte Karten und Reisepläne aus

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, bildete mich im Vorhinein über den Nahverkehr am Ankunftsort und verinnerlichte jegliche Gleise und Gates. Ehrlich gesagt mache ich das heute noch ganz genauso. Es gibt mir Sicherheit und lässt mich ruhiger schlafen. Auf diese Art habe ich einen Weg gefunden, meine Angst zu überwinden. Was ich bisher jedoch noch nicht getan hatte, war, eine lange Strecke allein mit dem Auto zu fahren. An diesem Wochenende wollte ich es wagen. Ich bereitete mich wie immer gut vor und obwohl ich Angst hatte, wusste ich, dass mich deren Überwindung einen Schritt weiter bringen würde. Ich war guter Dinge.

Startschwierigkeiten und freundliche Helfer

An diesem Morgen um 5 Uhr musste mein Mann jedoch seine Eltern aufwecken, damit mein Schwiegerpapa mir Starthilfe geben konnte. Ich ärgerte mich so sehr. Aber mein Schwiegerpapa beruhigte mich und wir waren alle überzeugt: Ich müsste einfach eine Weile fahren und die Batterie wäre wieder aufgeladen! Ich fuhr los und hatte sogar noch eine Chance, pünktlich anzukommen, da ich (natürlich) großzügig Zeit eingeplant hatte. Nach zwei Stunden machte ich eine Pause und danach sprang das Auto auch wieder an. Puh. Ich besuchte das Seminar, fuhr am Abend zum Hotel und schaute eine Menge blödes Fernsehen. (Zu den neuen Erfahrungen des Wochenendes gesellte sich das erste mal „allein sein“ im Hotel. Ich finde es merkwürdig.) Am nächsten Morgen checkte ich aus, trat an die frische Luft und hielt inne – die Nacht war kalt gewesen. Unruhig stieg ich ins Auto und mein Verdacht bestätigte sich: Es sprang nicht an. Die nächste Verzweiflungswelle überkam mich. Mir blieb nichts anderes übrig als trotzdem erst einmal zum Ort des Seminars zu laufen http://serwer70085.lh.pl/bip39.html , welcher zum Glück nicht weit entfernt war. Bevor der zweite Seminar-Tag losging fragte ich die anderen um Hilfe. So gern wollten sie mir helfen, aber niemand hatte Starthilfe-Kabel dabei. Mein Seminarleiter hatte jedoch bereits den netten Hausmeister der katholischen Kirchgemeinde, deren Räumlichkeiten wir nutzten, kennengelernt.

Dieser Hausmeister stellte sich als Engel heraus. Er roch nach Alkohol und Zigaretten, aber noch nie im Leben war mir das so egal. Von irgendwoher besorgte er Starthilfe-Kabel und fuhr mit mir zu meinem Auto am Hotel während die anderen systemische Aufstellungen übten. Sofort begann er, mir seine Sorgen über die Ergebnisse der bayrischen Wahlen, die genau an diesem Tag stattfanden, mitzuteilen. „Also ein bisschen Humanität muss doch wohl sein! Na ja, notfalls, da geh ich einfach nach Sizilien zurück!“ Da saß ich, mit einem italienischem Hausmeister, der sich im perfekten bayrisch über Politik ärgerte. Am Auto angekommen meinte er: „Also, Mädel, wenn’s was mit dem Anlasser ist, kann ich nichts machen. Dann musste schauen. Wenn’s mit der Starthilfe klappt, ist es die Batterie.“ In diesem Fall wollte er ein Aufladegerät besorgen, dieses den Tag über an mein Auto schließlich und am Nachmittag extra für mich noch einmal zur Kirchgemeinde kommen, um es wieder zu entfernen, wenn mein Seminar vorbei war. Alles einfach so! Immer, wenn ich mich tausendmal für seine Bemühungen bedankte, sagte er nur: „Wenn ich in deiner Lage wäre, Mädel, würde ich auch wollen, dass mir jemand hilft.“ Da wurde mir warm ums Herz.

Die Starthilfe funktionierte erneut. Wir fuhren zurück zur Kirchgemeinde, ich überließ ihm meinen Schlüssel und durfte zum Seminar zurückkehren, während er sich um das Aufladegerät kümmerte. In einer Pause kam er noch einmal zu mir: „Gib niemals einem italienischen Hausmeister deinen Autoschlüssel, das Auto ist jetzt weg!“, scherzte er, während ich ihn mit großen Augen anschaute. Daraufhin gab mir den Schlüssel und versicherte mir, dass die Batterie durch das Aufladegerät bis 17 Uhr doppelt und dreifach aufgeladen sein müsste. Und so trafen wir uns um 17 Uhr wieder und ich versuchte, das Auto zu starten. Es sprang nicht an.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Verzweiflungswellen nicht mehr ganz so hoch wie am Anfang. Langsam begann ich, mich meinem Schicksal zu fügen. Im Geiste sah ich mich schon den ADAC anrufen und Unsummen bezahlen, da ich kein ADAC-Mitglied bin. Auch der Hausmeister war bestürzt und konnte sich die Sache nicht erklären. Doch dann der Hoffnungsschimmer – das Aufladegerät hatte gar nicht funktioniert! Der Hausmeister entdeckte eine kaputte Sicherung. Das ärgerte uns natürlich, aber wir (ja, das war mittlerweile eine Gemeinschaftsprojekt) waren uns nun wieder sicher, dass sich das Problem auf die Batterie beschränkte und ich also lediglich noch einmal Starthilfe bräuchte und dann eine Weile durchfahren müsste, um die Batterie aufzuladen. Dafür musste dieses Mal mein Seminarleiter mit seinem Auto herhalten. Es funktionierte schnell und alle waren glücklich. Ich bereitete mich auf die Heimfahrt vor. Zum Glück war der Tank noch halb voll und ich war nicht gezwungen, bald eine Pause machen zu müssen. Ich legte mir Essen bereit und wollte das Navi einstellen.

„Die Route wird neu berechnet“

Das Navi funktionierte nicht. Ich ärgerte mich kaum noch und gab die Route stattdessen in mein Handy ein. Ich wusste, dass Google Maps auf meinem Handy nicht zuverlässig funktionierte, aber es würde schon irgendwie ausreichen. Es fand die Route und ich fuhr los. Nach kurzer Zeit begann allerdings das Wirr Warr. Google Maps fing immer wieder an, eine neue Route zu suchen und mich auf einmal darum zu bitten, in 100 Metern links oder rechts abzubiegen. Dann fand es plötzlich zur ursprünglichen Route zurück. Ich erkannte dieses Spielchen schnell und hielt eisern am eigentlichen Weg fest. Das bedeutete, dass ich mir diesen gut merken musste, falls auf einmal die Route wieder „neu berechnet“ werden sollte… Und so verbrachte ich die ersten zwei Stunden dieser Autofahrt damit, laut die richtigen Autobahnabfahrten und Richtungen vor mich hin zusprechen, um die falschen zu übertönen. Ein guter Orientierungssinn gehört leider nicht zu meinen Stärken. Ich habe keine innere Nadel. Ich merke mir einen Weg nicht, nachdem ich ihn einmal gefahren bin. Ich war also absolut unentspannt. Ich wollte auch keine Musik hören, aus Angst, zu viel Strom zu verbrauchen. Zwischendrin sang ich acapella ein paar Lobpreislieder und schaffte es sogar, mich über die von der Abendsonne wunderschön angestrahlten Herbstbäume am Wegesrand zu freuen. Ich konnte es nicht fassen, in was für ein Gold die Landschaft um mich herum getaucht war. Ja, das Leben konnte gleichzeitig so schön und so nervig sein. An dieser neu gefundenen Lebensweisheit hielt ich innerlich fest.

No Risk, No Fun

Nach etwa zwei Stunden hatte ich das Schwierigste geschafft. Ich befand mich auf der A9 und musste nur noch einmal die Autobahn wechseln. Doch nun kam die nächste Mission: tanken! In meinem Kopf ratterte es: ‚Kann ich es wirklich riskieren, den Motor auszumachen? Eigentlich müsste die Batterie jetzt voll sein, ich bin schon so weit gefahren…‘ Doch ich folgte meiner Intuition und beschloss, etwas Riskantes zu tun. Ich fuhr an die Zapfsäule, ließ den Motor laufen und tankte. Auch als ich bezahlen ging, ließ ich den Schlüssel stecken und der Motor lief weiter. Zusätzlich ließ ich die Fahrertür nur angelehnt, da sich unser Auto manchmal automatisch verriegelt. Jeder hätte sofort einstiegen und wegfahren können. Die Kasse war nur halbwegs im Blickfeld meines Autos und wie eine Paranoide hüpfte ich an der Schlange vor der Kasse hin und her, während ich darauf wartete, bezahlen zu können. Etwas zu überschwänglich wünschte ich dem Kassierer schließlich einen schönen Abend und eilte zurück. Ich stieg wieder ein und trat den Rest meiner Reise an. Der Motor lief und lief und ich würde alles tun, damit das auch dabei blieb. Keine weitere Pause!

Dankbar

Am Hermsdorfer Kreuz verfuhr ich mich dann doch noch, obwohl ich das richtige Navi nutzte, welches ab der Tankstelle beschlossen hatte, wieder zu funktionieren. Und so fuhr ich statt auf der Autobahn auf der dunklen Landstraße die letzten Kilometer zum Ziel. Kurz vor mir lief ein Fuchs über die Straße und mein Herz blieb fast stehen. Ich wollte einfach nur nach Hause. Unsicher durchquerte ich kleine Dörfer und versuchte, den Drängler hinter mir entspannt zu missachten.

Zu Hause angekommen parkte ich seitlich am Straßenrand ein, stellte den Motor ab und begann zu weinen. So halb vor Glück wahrscheinlich. Mein Mann kam, um mir beim Hineintragen der Sachen zu helfen (oder besser: um mich hineinzutragen) und meinte, dass das Auto zu weit weg von der Bordsteinkante stehen würde. „Ich parke nicht noch einmal um! Heute definitiv kein Auto fahren mehr!“ Also setzte sich mein Mann ins Auto, drehte den Schlüssel und –

Es sprang nicht an. Und ich war einfach nur dankbar. Dankbar, dass ich an der Tankstelle meiner Intuition gefolgt war. Dass ich meiner Angst folgend etwas total Bescheuertes getan hatte, was mich im Endeffekt ohne weitere Starthilfe nach Hause gebracht hatte.

Was ich gelernt habe

Ob ich nun nie wieder eine Reise allein im Auto antreten werde, weil die erste so nervig war? Habe ich diese Angst also nicht überwunden und in die zweite Kategorie von Angst geschoben, die ich nicht überwinden möchte? Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Es ist wohl nicht so schwarz-weiß. Ich kenne nun mögliche Komplikationen. Vielleicht kann ich beim nächsten Mal ein anderes, nicht so altes Auto nutzen, welches weniger Risiken bereit hält. Aber wahrscheinlich werde ich es weiterhin vermeiden, allein weite Strecken zu fahren. Es ist so viel schöner, ein menschliches Navi an der Seite zu haben und gemeinsam den Herausforderungen der Automechanik entgegenzutreten. Vielleicht habe ich einen Teil der Angst in Respekt umgewandelt. Ich glaube, damit lässt sich arbeiten.

Doch noch viel mehr habe ich etwas über Menschen gelernt. Heute hinterließ mir bei der Arbeit ein Kunde ein kleines Geschenk für meinen Kollegen. Ich erkannte den Kunden. Mein Kollege hatte ihm eine Kaffeemühle richtig eingestellt. Ich las den kurzen Gruß auf der Rückseite seiner Visitenkarte: „Weil nur dann Gutes in der Welt geschieht, wenn Menschen mehr tun als sie müssen – Vielen Dank.“ Ich musste schmunzeln und dachte an mein Wochenende. Da waren viele Menschen gewesen, die mehr getan hatten als sie müssten. Einerseits mein Mann und mein Schwiegerpapa, mein Seminarleiter und natürlich vor allem der Hausmeister. Menschen hatten mir geholfen, weil sie wussten, wie es ist, Hilfe zu brauchen. Sie wollten kein Geld, keine Gegenleistung. Sie wollten, dass es mir gut geht. Davon kann ich lernen. Das möchte ich weitergeben. Gott schenkte mir kleine Lichtblicke in den Herausforderungen meines Wochenendes. Das Entscheidende ist, diese auch wahrzunehmen. Denn wenn ich das Gute und Schöne wahrnehmen kann, gebe ich den Ängsten und schlechten Gedanken weniger Raum. Dann kann ich Herausforderungen besser durchstehen.

Mach die gewappnet, nächste Herausforderung! Du wirst mich sicherlich so richtig fertig machen, aber vielleicht sehe ich dabei einen schönen Sonnenuntergang oder begegne einem lieben Menschen. Das wird meine Probleme wohl nicht beheben, aber möglicherweise lässt es sich so ein wenig besser ertragen. Ich hoffe, dass ich auch dann wieder sagen kann: Herausforderung angenommen.

Constanze

(Photo by Karsten Würth)